Als Kind in Schloss Schönhausen im Internat

Bei der letztmöglichen Schlossführung am 4. September 2005 lernte ich zwei Frauen kennen. Sie kamen verspätet mit einem Herrn und einem Schuljungen dazu. Erst am Ende des Rundgangs stellte sich heraus, dass die Mutter der einen Dame – Frau Elsa Bondarewa – nach dem Zweiten Weltkrieg im Schloss Schönhausen im Internat für die Mädchen der sowjetischen Militärangehörigen war.

Ein Arbeitsbericht

Zweite Fassung

Am dritten Weihnachtsfeiertag 2005 besuchte ich Frau Anna Chesnovitzkaya, als sie nach der Reise zu ihrer Mutter nach Sankt Petersburg nun in Berlin-Charlottenburg einen Zwischenaufenthalt einlegte. Sie wohnte dort bei Frau Dietlind Lack.

Beide Damen hatte ich bei der letztmöglichen Schlossführung am 4. September 2005 kennen gelernt. Sie kamen verspätet mit einem Herrn und einem Schuljungen dazu. Es waren der Ehemann von Frau Chesnovitzkaya, Herr Harald Lehning, und der Sohn Nikita.

Elsa Burakowa

Erst am Ende des Rundgangs stellte sich heraus, dass die Mutter der einen Dame – Frau Elsa Bondarewa – nach dem Zweiten Weltkrieg im Schloss Schönhausen im Internat für die Mädchen der sowjetischen Militärangehörigen war.

Der Großvater von Frau Chesnovitzkaya war Oberst eines Panzerregiments und hatte bereits an der Befreiung von Prag teilgenommen. Die Familie lebte mit ihren drei Kindern Lucia, Elsa und Albert in Bernau in der Garnison der Roten Armee. Zuerst war das Schulinternat in Eberswalde. Am Wochenende kamen die Schüler mit einem Bus zu den Familien zurück.

 Am 1. September 1948 wurde mit einem „riesigen“ Fest am Schloss Schönhausen der neue Schulstandort eingeweiht. Ein Orchester spielte und ein Zirkus war eingeladen – vielleicht Zirkus Busch? Es gab viel zu Essen und sogar Eis.

Elsa war vor Aufregung ganz schlecht und sie bekam Angina. Im Schloss war fortan in der Zedernen Galerie der Speisesaal der Schüler. Das Essen wurde von außen angeliefert und über eine Durchreiche ausgegeben. Es wurde nicht durch die Schlossräume transportiert.

Elsa schlief in einem Raum für zwei Mädchen. Daneben, im größeren Eckzimmer, waren fünf Mädchen untergebracht.

Im Spiegelsaal wurde Mathematik unterrichtet. Der Lehrer war der Schwarm der Mädchen, jung und hübsch. Er kam im Spiegelsaal gut zur Geltung, das wusste er auch.Der Klassenlehrer war Geografielehrer und hieß Herr Kalaschnikow.

Im ganzen Schloss war das Verhalten für die Mädchen und Jungen sehr reglementiert, weil es sich um ein historisches Gebäude handelte, das wurde streng beachtet. 

Der meiste Unterricht fand in dem Gebäude auf dem Bild links (Majakoswiskiring 12) statt – eine Aufnahme von 1948. Auf diesem Bild anderen Bild ist Elsa vor dem Jungen am Fenster in der zweiten Reihe von oben zu sehen. Ein Lehrer bescheinigte auf dem Bildrand, dass es eine gute Klasse war. Dies ist der Geografielehrer Herr Kalaschnikow. Auf der Rückseite des Fotos sind die Namen der Schüler zu lesen – Elsa unter Nummer 12. Das Foto ist ebenfalls von 1948.  

Die Jungen waren in einem zweigeschossigen Haus neben der Schule untergebracht. Man trug die Moskauer Schulkleidung. Die Mädchen hatten wochentags dunkle Schürzen um, zu festlichen Anlässen weiße. Zur winterlichen Ausrüstung gehörten Baskenmütze und Stiefel.

Der Direktor war ein angesehener Pädagoge aus Moskau.

Im Schlosspark konnten sich die Schüler freier bewegen. Dort fand auch der Sportunterricht statt. Elsa hatte bei einem Laufwettbewerb einen Unfall. Sie stolperte und fiel mit dem Kopf gegen einen Vorsprung der Mauer am Schloss. Davon hat sie noch heute eine Narbe an der Stirn.

In der Freizeit trug man gern private Pullover oder Blusen. Sicherlich entstand das Bild links, weil es im „Univermag“, der Verkaufsstelle für die Besatzungsmacht, nur diese eine Sorte Pullover gab – oder die Freundinnen wollten so ihre Zusammengehörigkeit ausdrücken.

In den Ferien fuhr man ins Ferienlager.Auf Rügen war ein Sommerlager für die Kinder aus der gesamten sowjetischen Besatzungszone. Da die Burakow-Kinder zuerst eine Schule in Eberswalde besucht hatten, bekamen sie auch die Ferienreisen von dieser Schule.

Die Schwester war dabei. Davon zeugt ein Bild, das 1948 auf Rügen aufgenommen wurde – vermutlich in Granitz. Die Schwester Lucia trägt einen Pullover mit Ringelkragen.

Die Mutter, Frau Bondarewa, war dann in der Ferienzeit Pionierleiterin an einem Berliner See, da dort auch ihre beste Freundin gearbeitet.hat

1949 ging die Familie zurück nach Belo-Russland. Es war etwas Tragisches passiert. Die Mutter war in Bernau im Straßenverkehr verunglückt. Sie saß im leeren Schulbus auf dem Rückweg von der Schule, wohin sie die Kinder begleitet hatte. Der Bus wurde an einer Kreuzung von einem Lkw angefahren. Sie starb ein halbes Jahr später in ihrer Heimat an den Folgen.

Erging es ihr vielleicht ähnlich wie Generaloberst Bersarin in Berlin?

Ein Nachsatz

Seit September 2005 besteht also zwischen der Tochter Frau Anna Chesnovitzkaya und mir eine interessante und freundschaftliche Zusammenarbeit. Unzählige Briefe mit Anfragen wurden mit ihrer Hilfe persönlich nach Sankt Petersburg gebracht. Die Antworten und Originalfotos kamen auf dem umgekehrten Wege bei uns an. So ist der Bericht immer umfangreicher geworden.

Mit Frau Elsa Bondarewa, geborene Burakowa, diesem Mädchen aus dem Internat im Schloss Schönhausen, konnte ich mich über unsere Kinderjahre in Pankow austauschen. Sie waren sehr unterschiedlich, vorher habe ich nichts darüber erfahren. Deshalb beschloss ich, alles festzuhalten. Der Museumsverbund in Pankow und die Stiftung Schlösser und Gärten, die das Schloss Schönhausen übernommen haben, bekamen unsere Berichte.

Mit der Tochter Frau Anna Chesnovitzkaya haben wir uns oft getroffen, wenn sie aus Hamburg nach Berlin kam. Anhand von Fotos haben wir uns auf die Spuren der Elsa Burakowa begeben. Auch durch das Schloss wurden wir geführt und haben den Raum gefunden, in dem sie untergebracht war. Mit dem Enkel Nikita haben wir für die Oma im Jahre 2011 Fotos aufgenommen, wo die Schülerin Elsa einmal im Schlosspark aufgenommen wurde.

Leider ist Frau Elsa Bondarewa im November 2011 verstorben. Wir haben uns nie persönlich getroffen, wie wir es vorhatten. Aber mit ihrer Familie in Sankt Petersburg und Hamburg sind wir noch immer freundschaftlich verbunden.

Wir hatten die Gelegenheit, im Schloss Schönhausen in einem Vortrag über unsere Nachforschungen zu sprechen. Am Schlosspark Schönhausen wird am Eingang im rechten Torhaus von unseren Recherchen berichtet.

                                                                                                      Christel Liebram

Elsa Burakowa am Fenster vom Schulgebäude Tschaikowskistraße 12

Christel Liebram

Fotos: privat

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*