In Pankow

Meine Familie und der Rosenthaler Herbst

Natürlich bin ich eine alte Rosenthalerin, seit fünf Generationen wohnt unsere Familie in Nordend, einer Kolonie von Rosenthal, in der Kastanienallee 19. Dort hat mein Vorfahr, der Landwirt Albert Schulze, im Jahre 1898 seinen Bauernhof gebaut.

Die nächste Besitzerin wurde meine Großmutter, die älteste Tochter und Hoferbin, Selma Schulze. Sie heiratete 1910 in der neugebauten Jugendstilkirche Nordend den Gärtner Gustav Preuß aus Ostpreußen. Er war langjährig im Schulgarten II der Stadt Berlin in Blankenfelde tätig, ehe er sich 1925 selbständig machte.

Der einzige Sohn, der den gleichen Beruf erlernte, heiratete 1934 die Gärtnerin Lieselotte Westphal aus Pommern, meine Mutter.

Erntefeste wurden anfänglich in Niederschönhausen gefeiert, wie eine Fotographie von Max Skladanowski belegt, die uns Herr Grandé zukommen ließ und nätürlich im Bauerndorf Rosenthal, wie wir einem Bericht von Frau Dora Kathe entnehmen.

Herr Dietrich Viegas gab uns seine Fotos von Erntedankfesten Anfang der 50er Jahre, die ihn als Kind auf einem Umzugswagen zeigen mit der Losung „ Wir Kinder wollen Frieden”. ….

In Rosenthal kümmerte sich Herr Grande mit seinen Mitstreitern um die Aufrecherhaltung dieser Tradition. Im Jahre 1985 wurde meine Mutter sehr nett von Herrn Grande gefragt, ob sie nicht als Berliner Blumenfrau den Rosenthaler Herbst verschönern wolle. So nahm sie, nun schon Rentnerin, viele Schnittblumen aus dem eigenen Garten mit und als Verstärkung unseren damals halbwüchsigen Sohn Richard, er kann sich noch gut an die Anfänge erinnern.

Ich war zu der Zeit schon im heutigen Landhaus Rosenthal, damals Haus der Pioniere, tätig.

Der Rosenthaler Herbst war für uns Kollegen der Höhepunkt des Jahres. Das neue Schuljahr hatte begonnen,. Neben Spielen, die wir für die Kleinen aufbauten, konnten wir gut mit den Schulkindern sprechen und für die verschiedenen Arbeitsgemeinschaften werben, die wir anboten. Es war ein Familienfest, Eltern, Geschwister und Großeltern kamen mit, denn es wurden auch Erfrischungsgetränke sowie Kaffee und Kuchen verkauft. Die Kinder konnten auch auf der Wiese reiten.

Sogar ein Kremser zottelte gemächlich die Dorfstraße entlang. Wir lagen ja nahe an der Mauer, den Durchgangsverkehr gab es noch nicht. Der Rosenthaler Herbst war keineswegs als Großveranstaltung vorgesehen, der die Massen anzog.

Die Organisatoren um Manfred Grande hatten neben dem Pionierhaus auch den jungen Schmied Gösta Gablick und die Kirchengemeinde als Veranstalter vorgesehen.

Aber es ließ sich alles ganz schwierig an. Der Ursprung des Rosenthaler Herbstes sollte das Erntedankfest sein und jeweils am dritten Wochenende im September stattfinden. Aber dieses feststehende Kirchenfest wird ungefähr vierzehn Tage später begangen. Da bedurfte es erst der Zustimmung der obersten Kirchenleitung, damit die Rosenthaler ihr Erntedankfest vorverlegen durften.

Vergessen wir auch eines nicht, wir älteren Bürger kennen alle noch die Berichte in Funk und Fernsehen von der sogenannten „Ernteschlacht auf den Feldern der LPG” in der DDR. Da gab es auch schon mal an den vollbeladenen Erntewagen die Losung „ohne Gott und Sonnenschein fahren wir die Ernte ein”

Staatlicherseits wurden Wohngebietsfeste wie unser Rosenthaler Herbst organisatorisch und finanziell vom jeweiligen Rat des Stadtbezrks unterstützt und gutgeheißen.

Darüber berichte ich im folgenden Interview. Marie Janitza, langjähriges Mitglied der Geschichts- und Umweltgruppe des Landhauses Rosenthal, hat mich dazu interviewt…