In Pankow

Ein paar Worte zu Hans Fallada

Meine Sicht auf Hans Fallada ist eine ganz persönliche.


Meine Sicht auf Hans Fallada ist eine ganz persönliche. Im Jahre 1960 hatte ich endlich nach meinem Studium in Halle und dem Einsatz im Oderbruch meine erste eigene Wohnung in der Fürstenwalder Straße in Berkenbrück gefunden. Ich musste mich nur noch  im Bürgermeisteramt anmelden. Da wurde ich gefragt ob ich wüsste, dass hier im Ort Hans Fallada für ein Jahr  gewohnt hat. Nein. Aber „Kleiner Mann, was nun“ habe ich mehrmals gelesen. Es ist mein Lieblingsbuch. “Na, dann sind Sie ja hier richtig”, war die Antwort.

1933 war Berkenbrück von Fallada für die kleine Familie von Hans und Anna Dietzen, der bürgerliche Name, und den drei Jahre alten Ulli als Heimat ausgesucht worden. die Tochter Lore wurde hier geboren. Man wollte seßhaft werden. Aber nach Falladas Verhaftung Ostern 1933 und einer 11 tätgigen Haft in Fürstenwalde, er war denunziert worden, war die Idylle zerstört, man zog weiter nach Carwitz.

Man kann Denkmale errichten, Tafeln aufhängen, Straßen benennen, aber wichtiger ist, daß die Einwohner eines Ortes einen Menschen, der ihnen vieles gegeben hat, nicht vergessen, mit all seinen Stärken und Schwächen. Ich glaube, dort in Berkenbrück gab es kein Denkmal, aber ein Gedenken.

Im folgenden Text möchte ich einen bedeutenden Chronisten, der auch zeitweise seit 1950 in Pankow gewohnt hat, zu Wort kommen lassen, und dessen Bemühungen um ein würdiges Andenken an Hans Fallada hier auch in Pankow zu bewahren , nicht genug hervorgehoben werden kann. Es ist dies Herr Manfred Kuhnke und die Fallada-Gesellschaft.

Hier in Niederschönhausen an der damaligen 8.Oerschule gab es von Seiten der Eltern, der Lehrer und der Einwohner Hinweise auf das Leben Falladas. Im Heimatkundeunterricht wurde diese Schule als Sterbeort  benannt und auch, daß Hans Fallada im kleinen Zeichensaal, einem Pavillon auf dem Hof gelegen, aufgebahrt wurde. Auch Forschungsaufträge der Klassen beschäftigten sich mit ihm.

Aber die Pionierfreundschaft dieser 8.Oberschule hatte schon, wie alle anderen Bildungseirichtungen einen Namen erhalten, in diesem Fall „Geschwister Scholl“.

Nur bei den meisten Schulen war diese Benennung mit dem Schulnamen identisch. Von Seiten der Schulbehörde gab es ständig Bestrebungen , eine „Geschwister Scholl Schule“ zu haben, das hing mit denAnerkennungsbemühungen des Landes DDR zusammen.

Aber die Angehörigen, die Familie von Hans und Sophie Scholl, im damaligen Westdeutschland wohnend, gaben keine Zustimmung. Also blieb die Schule hartnäckig ohne Namen.

Zum Glück gab es ab 1983 den Hans Fallada Freundeskreis und der unternahm von Seiten Herr Kuhnkes größte Bemühungen, doch noch der Schule zu einem Namen zu verhelfen, nämlich dem von Hans Fallada und überhaupt das Gedenken an ihn in Pankow zu  bewahren. Das letzte Buch, die letzte Wohnung, das Sterbezimmer, das Grab, alles hier in Pankow – und keine einzige Erinnerung an diesen Jahrhundertschriftsteller?

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Und wieder war ich persönlich Hans Fallada ganz nahe. Von 1966 bis 1977arbeitete ich für zehn Jahre an der 8. Oberschule gerade in dem Zimmer, das so in die Literatur eingegangen ist:

am 5.Februar 1947 kam in jenes Zimmer am Ende des Flures im damaligen Behelfskrankenhaus in der Blankenburgerstraße in den Abendstunden der Tod endgültig zu Hans Fallada. Vorher hatte es die von ihm gesuchten unzähligen kleinen Tode gegeben, nun kam unerbittlich und ungebeten das große Sterben. Aber wie dieser Mann aus dem zeitweiligen Verlöschen und rauschhaften Vergessen wieder zurückgefunden hatte aus abgrundtiefer, bodenloserFinsternis in den hellen , treibenden Tag, so gab es die friedliche Gelöstheit von Faslladas  letztem Gesicht, auf einer Totenmaske festgehalten.

Es war für mich in jenem Arbeitsraum an der 8.Oberschule nicht leicht, mit alledem umzugehen. Natürlich standen in meinem Bücherregel ganz vornean alle seine Bücher und sein Bild, manchmal ein Blumenstrauß daneben.

Das alles, was jahrelang versäumt wurde, hat sich geändert, ist sozusagen nachgeholt worden. Es war ein langer, steiniger Weg, bis  1993 in den Zeitungen folgende Mitteilung erscheinen konnte. Seit dem 27. März, gerade noch rechtzeitig zu Falladas 100. Geburtstag, gab es nun in Pankow endlich eine Falladaschule. Die Namensgebung wurde im Ratssaal des Pankower Rathauses festlich vollzogen. Nachmittags feierten die Schüler ein fröhliches Kiezfest auf dem Schulhof.

Zehn Jahre später verschwand dieser ehrenvolle Name, als Schule nun im Pankower Kulturleben präsent. Durch Umstrukturierungen wurde der Lehrbetrieb als eigenständige Schule an diesem Standort eingestellt.

Das hat sich alles geändert. Besonders die Benennung einer Straße in Pankow nach Fallada stieß 1990 auf viel Widerstand, da es eine gleichnamige Straße schon in Marzahn gab. Auch mussten die Angehörigen erst ihre Zustimmung erteilen. Vom Senat erhielt Herr Kuhnke ebenfalls nicht die erwünschte Hilfe. Aber Herr Alex Lubawinski, 1993 Bezirksstadtrat für Bildung und Kultur in Pankow, konnte einen Hinweis zu geben. Nun gibt es zwei Gedenktafeln: eine am Haus am ehemaligen Eisenmengerweg 19, wo Hans Fallada zuletzt in Niederschönhausen wohnte, und eine an der Schule. Der Eisenmengerweg indes wurde 1994 in Rudolf-Ditzen-Weg – nach dem bürgerlichen Namen von Hans Fallada – umbenannt.

Im Jahr des 120. Geburtstsges von Hans Fallada haben wir für den Freundeskreis der Chronik Pankow e.V. an die Denkmalkommission den Vorschlag herangetragen, auf einem Ergänzungsschild am Objekt der Öffentlichkeit anzuzeigen, dass diese Schule von 1993 bis 2002 den Namen Fallada-Schule trug. Die ehemaligen Schüler und Erzieher, die ich in Vorbereitung auf diese Veranstaltung gesprochen habe, sind gern in diese Schule gegangen und haben ihrem Alter entsprechend sowohl die Kinderbücher wie „Geschichten aus der kleinen Murkelei“, aber auch „Kleiner Mann, was nun“  in bester Erinnerung. Und darauf kommt es ja schließlich an. Hans Fallada ist in Pankow  nicht vergessen.

Dies ist meine Rede vom 18.12.2013, als an der Schule eine Tafel angebracht wurde.